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Casa Las Caglias

ARCHITEKTUR
VON RUDOLF OLGIATI

Olgiatis architektonischer Einfluss erstreckt sich international, über die Grenzen der Schweiz hinaus. Seine Werke gelten nach wie vor als wegweisende Beiträge zur modernen Architektur, und sein Erbe prägt weiterhin die Gestaltung zeitgenössischer Bauprojekte weltweit.

STIL UND AUSDRUCKSWEISE

Unter den Architekten, die während der Boomjahre der Nachkriegszeit in Graubünden prägende Bauwerke schufen, sticht Rudolf Olgiati (1910–1995) zweifellos als der eigenwilligste hervor. Im Jahr 1944 ließ er sich in Flims nieder, um fernab des internationalen Trubels unerschütterlich seine Vision einer von einem “Gefühl des Sehens” geleiteten Architektur zu verwirklichen. In der Auseinandersetzung mit Le Corbusier, griechischen Tempeln und der regionalen Baukunst des Engadins entwickelte er eine einzigartige Ausdrucksweise, die sich quasi unabhängig von den gängigen Strömungen seiner Zeit manifestierte.

Olgiatis Ideal einer körperhaften, kubisch konzipierten Architektur führte zu scharfkantigen Baukörpern mit glatt verputzten, weiß gestrichenen Mauern, deren Kompaktheit durch plastische Verformungen und variierende Öffnungen betont wird. Die flach geneigten Dächer mit schweren Steinplatten und die zurückhaltende Positionierung hinter den Mauerkronen tragen dazu bei, den körperhaften Charakter zu bewahren. Korbbögen, Säulen sowie Fassaden- und Dachausschnitte verstärken die plastische Wirkung.

Rudolf Olgiati
Rudolf Olgiati
Rudolf Olgiati

OLGIATI QUARTIER IN FLIMS

1951 begann Olgiati in Flims Waldhaus im Gebiet “Prau Las Caglias” was auf rätoromanisch so viel wie "Wiese mit Büschen" heisst, ererbtes Wiesland mit freistehenden Häusern zu bebauen. Bis 1974 entstand dort ein “Olgiati-Quartier” mit 17 individuell gestalteten Gebäuden. Das Ensemble zeigt auf begrenztem Raum Olgiatis schöpferische Praxis unter dem Konzept der “optischen Sachlichkeit”. Die harmonisch in das hügelige Gelände integrierten Bauwerke zeugen von seiner Meisterschaft im Umgang mit dem spezifischen Ort. Das herausragende Werk der Siedlung ist das Apartmenthaus “Las Caglias”, das 1959/60 auf einer felsigen Erhebung errichtet wurde und erstmals den vollständigen Kanon der von Olgiati bis zu seinem Tod in verschiedenen Variationen angewendeten Elemente präsentiert.

LAS CAGLIAS

Der Baukörper ist dem Gelände angepasst und bildet ein zusammenhängendes Volumen. Alle Fassadenansichten von "Las Caglias" unterscheiden sich voneinander. Die Hauptfassade ist westwärts gerichtet und wird durch den auskragenden Gebäudeteil mit den Loggien charakterisiert und gegliedert.

 

Vom terrassenartigen Vorplatz führt der Zugang über eine schwungvoll plastisch gestaltete Treppe zum überwölbten Eingang. Die Form und Grösse der Fassadenöffnungen sind sorgfältig erarbeitet. Die Anordnung dieser Öffnungen erfolgt harmonisch auf dem wohl proportionierten und fein komponierten Baukörper. Eine für Rudolf Olgiati typische, zinnenförmige Dachterrasse schliesst die Fassade ostwärts nach oben ab. Auf der Südseite öffnet sich das Gebäude über grosse Fenster und Balkone zur Umgebung. Eine portikusartige Konstruktion mit drei markanten Säulen ist der Fassade vorgelagert und markiert den Gartenausgang mit Sitzplatz. Das auffallendste Merkmal der Nordfassade ist die markante Ausstülpung, welche eine Treppe umschliesst. Die grosse, zylindrische Ausbuchtung, welche nach unten schräg abgeschnitten ist, evoziert auf abstrahierte Weise ein Wespennest das unter dem Dach hängt. Diese aussergewöhnliche Ausbildung begründet sich in einer baupolizeilichen Forderung die Nordwestecke zurückzuversetzen.

 

Wie es von Rudolf Olgiati bevorzugt wird, überragen die Umfassungsmauern das Dach konsequent, lediglich mit einer Ausnahme an der Nordwestecke. Aus ökonomischen Gründen wurde das Dach nicht mit Natursteinplatten eingedeckt, sondern mit galvanisiertem Eisenblech. Um Blendwirkungen zu vermeiden und ein weicheres Erscheinungsbild zu gewährleisten wurde das Blech grau gestrichen.

 

Zu seinem Gebäude äusserte sich Rudolf Olgiati 1965 in der Fachzeitschrift Werk. Dabei betonte er, dass er die alte Bautradition wieder ins Leben zu rufen versuchte, indem er die Aussenwände optisch durch das Weglassen von Fensterachsen und Sockellinien als reine Schale ausbildete, glatt verputzt und weiss gekalkt.

DAS APARTMENTHAUS ALS ALTERNATIVE ZUM KLASSISCHEN HOTEL

Die Ausstattung der Studiozimmer erlaubt es den Gästen, das Frühstück oder auch eine Mahlzeit als Zwischenverpflegung auf einem Ausflug selber zuzubereiten. Das Eingangsgeschoss wird durch einen Vorraum, die Keller und weitere Nebenräume besetzt. Von hier gelangt der Besucher über die elegante Treppe ins Hauptgeschoss. Auf diesem Stockwerk befinden sich vier möblierte Studios und ein Gemeinschaftsraum mit Feuerstelle. Diese Räume öffnen sich nach Osten, Westen oder Süden.

 

Im darüberliegenden Geschoss befinden sich nochmals fünf Studios. Diese fünf Einheiten sind konsequent nach Süden ausgerichtet, und werden über einen nordseitigen Korridor erschlossen. Die kleinen Räume waren nicht für Luxusbedürfnisse vorgesehen, und sind mit Kochnischen und Kühlschrank ausgestattet. Trotz der geringen Abmessungen und der eher kargen Ausstattung verbreiten die Räume eine angenehme Atmosphäre.

 

Jedem der Zimmer ist eine verhältnissmässig grosse Sonnenterrasse zugeordnet. Dabei wird der Raum durch verschiedene Nischen und andere Kunstgriffe optimal ausgenutzt. Der grosse Luxus dieser Studios ist der sehr schöne Lichteinfall und der Ausblick in die Landschaft. Die Fenster wurden in unbehandeltem Arvenholz ausgeführt. Die Zimmer wie auch die Erschliessungsbereiche wurden teilweise mit historischen Möbeln und Bauteilen aus der Sammlung von Rudolf Olgiati ausgestattet.

ERWEITERUNG DER CASA RUDOLF

Mehr als zehn Jahre nach der Fertigstellung des Apartmenthauses "Las Caglias" wurde dieses im Jahr 1972 um die "Casa Radulff" erweitert. Die "Casa Radulff", welche acht Eigentumswohnungen, ein Café und ein geheiztes Hallenschwimmbad enthält ist im Inneren über eine Treppe mit dem Vorgängerbau verbunden.

 

Das neuere Gebäude befindet sich südlich vor Las Caglias und ist gegenüber diesem schräg versetzt. Zur Strasse wird der terrassenartige Vorplatz nun durch eine Zeile mit Garagen begrenzt. Von hier erfolgt der Zugang zu den Wohnungen über eine Aussentreppe, die von einem Z-förmig geknickten Betondach geschützt wird. Zur Südseite sind auch bei der "Casa Radulff" Balkone und Terrassen prägend für die Fassadenansicht. Das erwähnte Bad und die Cafeteria stehen den Bewohnern der beiden Häuser zur Verfügung, wobei das Café ursprünglich als öffentliches Lokal konzipiert war.

 

Das Schwimmbad wurde von Rudolf Olgiati auf raffinierte Weise in die Felsgrotte eingefügt und befindet sich teilweise im Innen- sowie Aussenraum. Ein bogenförmig überwölbtes Glastor trennt dabei den inneren Teil vom äusseren Bereich des Wasserbeckens ab.

 

Zum Café gibt es einen Innen- und Aussenzugang. Der Aussenzugang erfolgt zwischen vier mächtigen Betonsäulen und über den bogenförmigen Eingang mit Verglasung, der von einer schwebenden Betonplatte überdeckt wird. Eine verglaste Wand trennt das Café vom Schwimmbad. Die Anordnung des Cheminées erlaubt es gleichzeitig das Wasser und das Feuer im Blickfeld zu erfassen. Die vielfältige Einrichtung des Cafés mit historischem Mobiliar, Designermöbel, ausgewählten Textilien aber auch mit gemauerten Stühlen und Bänken verleihen dem Raum zusammen mit der sorgfältigen Lichtführung einen intimen Charakter.